5.0 out of 5 stars
Das Geheimnis lauert im 3. Stock....
Reviewed in Germany on 11 August 2018
Diese romantische Tragödie einer Waise von Lowood, eine frühe Inkarnation der modernen, emanzipierten Frau, weiß immer wieder zu faszinieren. Mit diesem Film aus dem Jahr 2011 unter der Regie von Cary Joji Fukunaga ist eine wunderbare Neuverfilmung von Charlotte Brontës Roman-Klassiker entstanden.
Das zentrale Thema des Films ist Janes Liebe zum Hausherrn Edward, einem Mann mit Vergangenheit. Getrennt durch Standesgrenzen, spüren beide eine Seelenverwandtschaft, die erst durch Janes erstaunliches und für diese Zeit sehr ungewöhnliches Selbstbewusstsein möglich wird.
England im 19. Jahrhundert: Die Waise Jane Eyre sollte eigentlich bei ihrer reichen Tante Mrs. Reed (Sally Hawkins) aufwachsen; da diese das Mädchen jedoch für lasterhaft und hinterhältig hält, schiebt sie ihre Nichte kurzerhand in eine strenge Mädchenschule ab. Nach leidvollen Jahren verlässt Jane (Mia Wasikowska) die Schule als gebildete, junge Erwachsene und erhält eine Anstellung als Gouvernante eines kleinen französischen Mädchens auf Thornfield Hall. Die Haushälterin Mrs. Fairfax (Judi Dench) nimmt sie wohlwollend auf, und erstmals darf Jane das Gefühl erleben, ein Zuhause zu haben. Nachts ereignen sich jedoch seltsame Dinge; man munkelt sogar, in Thornfield Hall treibe ein Geist sein Unwesen.
Als der Herr des Hauses, der unberechenbare Mr. Rochester (Michael Fassbender), in sein Landhaus zurückkommt, findet er schnell Gefallen an Jane. Rochester geniesst es, eine junge, kluge Frau um sich zu haben, die es wagt, ihre Meinung zu sagen. Auch Jane hat sich bald in Rochester verliebt, glaubt jedoch, dass Rochester plant, eine Adlige zu heiraten. Was Jane jedoch nicht weiss: In Rochesters Vergangenheit lauert ein düsteres Geheimnis.....
Der Film beginnt mit der Flucht Janes aus Thornfield Hall. In dieser ersten Sequenz, die mit der Aufnahme des halb toten Mädchens ins Haus von John Rivers (Jamie Bell) endet und in eine lange Rückblende mündet, ist Jane den Elementen ausgeliefert, steht ratlos an einer Wegkreuzung. Als sie gefunden wird, ist ihre Wahrnehmung vor Schwäche schon so weit getrübt, dass auch die Kamera nur extrem unscharfe Bilder zeigt.
Was die Einleitung verspricht, wird den gesamten Film über eingehalten. Diese Jane Eyre - Verfilmung ist kein Kostümfilm, sondern eine feine psychologische Studie, eine auf kleinste atmosphärische Details Wert legende Erforschung. Allein schon, wie die dunklen Innenräume bei Nacht inszeniert sind! Geheimnisvoll und bedrohlich, nur Schritt für Schritt sich der Petroleumlampe offenbarend.
Die Geschichte ist von einer schaudernd-schönen emotionalen Reichhaltigkeit , noch dazu in unvergleichlich schöner Sprache. Furcht und Sehnsucht werden stimmungsvoll und durchdringend dargestellt, beispielsweise die dunklen, von Kerzenlicht wenig erhellten Räume, eine geisterhafte Verpuffung im Kamin, die Jane als Kind eine Heidenangst einjagt. Ebenso die Natur: Die starken Winde in karger Landschaft, der Regen, die Weite des Landes sind inszeniert als Spiegelbild von Janes Seelenzustand. Der Ausdruck ist immer stimmig, wird nie kitschig oder zu einer Effekthascherei.
Die beiden Hauptdarsteller schaffen das Kunststück, es zwischen zwei enorm spröden Figuren knistern zu lassen. Mia Wasikowska entfaltet, und sei sie noch so „klein und bleich“ und zerbrechlich, eine in jeder Nuance glaubwürdige Jane, und man kann sich keinen Schauspieler vorstellen, der Grantigkeit und Charisma so zu verbinden wüsste wie hier Michael Fassbender.
Ein wundervoller, mitreissender Film, unglaublich beeindruckend atmosphärisch in Szene gesetzt.
Restlos begeistert kann ich diesen Film nur empfehlen.
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