3.0 out of 5 stars
Father's Girl......
Reviewed in Germany on 10 August 2017
Tja, find ich den Film jetzt gut oder nicht? Schwer zu sagen. Mit um die 50, und dann noch als Frau, im haifischartigen Filmbusiness von Hollywood ein Regie-Debut hinzulegen, ist natürlich per se sowas von mutig, dass ich nur sagen kann "Respekt". Marya Cohn hatte bislang nur einen kleinen Kurzfilm aus ihrer Zeit als Filmstudentin an der New Yorker Uni vorgelegt, mit Nathalie Portman in ihrer ersten Filmrolle überhaupt. Für die war das der Start in eine Weltkarriere, Marya Cohn verstummte komplett. Jetzt hat sie es, teilweise mit Crowdfunding und Hilfe einflussreicher Freunde im Filmbusiness, noch einmal gewagt. Das Ergebnis wurde zwar von der Kritik nicht gerade niedergemacht, landete aber direkt bei Video on demand und verpuffte irgendwo im Nirgendwo. Die Filmidee und der Ansatz sind zwar ambitioniert, die Umsetzung hat mich allerdings jetzt nicht so vom Hocker gehauen. Nicht Fisch und nicht Fleisch, nichts Halbes und Nichts Ganzes.
Viele filmische Mätzchen wie das ständige Switchen zwischen Vergangenheit und Gegenwart und der Heldin als Teenie und in der Jetztzeit - mit zwei vom Typ, von der Art zu spielen und dem Aussehen her völlig verschiedenen Schauspielerinnen - machen aus einem Film noch kein Kunstwerk. Das verwirrt den Zuschauer und ist filmisch nicht überzeugend umgesetzt. Der körperliche, seelische und geistige Missbrauch der jungen Frau als 14jährige durch einen schmierigen, skrupellosen Romanautor um die 40 - er stiehlt ihr die Unschuld, ihr Selbstwertgefühl und ihr Buch und somit ihr Leben und macht damit Karriere - ist allerdings glaubhaft dargestellt. Die Folgen für die junge Frau - Nichterwachsenwerdenwollen, innere Lähmung, Bindungsangst, Männerverschleiß und völlige Aufgabe ihrer schriftstellerischen Ambitionen -. kaufe ich dem Film ab. Emily VanCamp, eine ansonsten TV-Seriendarstellerin, die mir völlig unbekannt war, spielt das glaubhaft und authentisch. Die Auflösung ist allerdings ein Witz: Unser Girl in the Book blüht plötzlich wie Phoenix aus der Asche auf, wird selbstbewusst, monogam, treu und brav und liebt nur noch einen Mann, mutiert zur erfolgreichen Bloggerin und rächt sich sehr kreativ und subtil mit einem eigenen Enthüllungsbuch an ihrem einstigen Missbraucher. Das oberflächliche Girlie-Zeugs, was sie am Ende als immerhin fast 30jährige kleinmädchenhaft-naiv in ihrem Blog publiziert, passt allerdings so gar nicht zu der schwermütigen, tiefsinnigen Alice aus den Rückblenden in ihre Teenagerzeit. Die britisch-spanische Schauspielerin Ana Mulvoy-Ten, die die 14jährige verkörpert, war beim Dreh zudem bereits über 22, was das Ganze noch unglaubhafter macht. Ana hat sehr gut gespielt, eigentlich noch besser und intensiver als ihre bekanntere Kollegin Emily, aber die beiden Figuren passten einfach nicht zusammen. Michael Niqvist konnte mich überhaupt nicht überzeugen, den intellektuellen Schriftsteller aus NYC hab ich dem Schweden nicht abgekauft.
Eigentlich geht es ja um die Abrechnung mit einer übermächtigen, ausbeuterischen und krakenhaften Vaterfigur in dem Film. Der monströse Vater aus dem Film hat übrigens mit dem für sein exzentrisches Verhalten berüchtigten Sam Cohn, dem legendären Agenten und Talent-Entdecker für viele Hollywoodstars wie Meryl Streep, eine reale Vorlage, Der Film, sagt Tochter Marya in einem Interview, sei semi-autobiografisch und sie habe die Filmwelt auf die Verlagswelt übertragen. So ganz hat sie sich die persönliche Abrechnung, als die ich den Film interpretiere, dann doch nicht getraut. Dass sie dem Ganzen dann noch ein derart unglaubwürdiges Ende anpappt, ist irgendwie traurig und auch ein bisschen verlogen. Marya Cohn hat sich sicherlich mit diesem Film von einem Jahrzehnte währenden Trauma befreien wollen. Ob das reicht für eine späte Karriere als Regisseurin?
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